Gedanken zum Monatsspruch – Dezember 2022

Text: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift, revidiert 2017, © 2017 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart – Grafik: © GemeindebriefDruckerei

Liebe Leserinnen und Leser,

da wird sich der Wolf unter dem Schutz des Lammes lagern und der Panther beim Ziegenböcklein lagern. Kalb und Löwe werden miteinander grasen, und ein kleiner Knabe wird sie hüten.
Prophet Jesaja, Kapitel 11, Satz 6

Können Sie sich diese Tiere in solch friedvollem Miteinander denken? Lei­der unmöglich, werden Sie sagen. Wolf, Panther und Löwe sind Raubtie­re und Lamm, Ziege und Kalb sind für sie eindeutig Beutetiere. Die Starken werden die Schwachen fressen. So ist unsere Welt. Das weiß eigentlich jedes Kind.

Und natürlich weiß das auch der Pro­phet Jesaja. Er lebte im 6. Jahrhundert vor Christus. Und er war keinesfalls ein Träumer. Im Gegenteil, er hatte einen scharfen Blick für die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft, in der er lebte.

Was sah er damals? Rücksichtslose Menschen mit Geld waren auf der Jagd nach noch mehr Geld. Und rück­sichtslose Menschen mit Macht waren bestrebt, noch mehr Macht zu erlan­gen. Jedes Mittel war diesen Men­schen recht, um an ihr Ziel zu gelan­gen. Rücksichtslos setzten sie sich ge­gen andere durch. Die Armen und Schwachen kamen bei ihnen gleich zuerst unter die Räder. Das Recht wussten diese Leute durch Bestechung zu beugen. Immer fanden sie einen Richter, der bereit war, Urteile zu ih­ren Gunsten zu fällen. Sie betrogen ahnungslose und gutgläubige Men­schen mit falschen Gewichten, so dass man bei ihnen für mehr bezahlte als man tatsächlich bekam. Sie trieben ihr Geld bei ihren Schuldnern unbarmher­zig ein, ohne Rücksicht auf deren miss­liche Lage. Politiker beruhigten das Volk mit Versprechungen, die völlig haltlos waren. Sie waren wie Raub­tiere unter den Schafen.

Wenn der Prophet so himmelschrei­endes Unrecht sieht, warum erzählt er dann ein so friedliches Bild? Zu­nächst, er hat das Unrecht, das ge­schah, nicht nur gesehen, er hat es beim Namen genannt. Er war, wenn man so will, der Chefankläger im Namen Go(es. Sein Beliebtheitssta­tus ist dadurch natürlich nicht ge­wachsen. In bestimmten Kreisen bis hinein in die Regierung, war er durchaus verhasst.

Jesaja erzählt dieses Bild, weil Gott es ihm vor Augen malt. Er erzählt es, um den Schwachen und sich selbst eine feste Hoffnung zu geben. Nein, Korruption, das Leben auf Kosten anderer, Rücksichtslosigkeit und Lü­gen werden sich am Ende nicht aus­ zahlen. Unrecht wird aufgedeckt und gerichtet werden. Gott ist da unbestechlich. Er wird die Unbarm­herzigkeit bloßstellen und ein ge­rechtes Urteil darüber sprechen.

Jesajas paradiesisches Bild von den Tieren im Frieden miteinander gibt mir die Gewissheit, was Gottes gutes Ziel mit uns Menschen ist. Zugleich mahnt es mich da, wo ich selbst rücksichtslos werde gegen jemand anderen, das zu bedenken: In der Gegenwart Gottes hat der Stärkere seinen Platz im Frieden neben dem Schwächeren zu suchen.

Ein wunderbares Bild, um das an Weihnachten im Gespräch mit der Familie und den Verwandten zu er­örtern. Jede und jeder, selbst die Kinder, können bei diesem Bild von den Raub­ und den Weidetieren mit­ reden. Ich wünsche Ihnen ein vom Frieden inspiriertes Weihnachtsfest.

Ihr Pfarrer Friedrich-Wilhelm Bieneck